Flacht an der Aar

Neufassung des Kommunalen Finanzausgleichs zwingt die Ortsgemeinde Flacht zur Anpassung der Steuerhebesätze

Mit seinem Urteil vom 16. Dezember 2020 forderte der rheinlandpfälzische Verfassungsgerichtshof das Land auf, den Kommunalen Finanzausgleich neu zu regeln.

 

Die Hoffnungen auf eine bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinden haben sich jedoch mittlerweile vielerorts zerschlagen.

Stattdessen bleibt es leider den Kommunen überlassen die schlechten Nachrichten zu überbringen, bzw. umzusetzen.
Um den neuen Vorgaben des Landes Rechnung tragen zu können, wird auf viele Bürgerinnen und Bürger eine finanzielle Mehrbelastung, in Form der Erhöhung der Grundsteuer B, zukommen.

Damit die unterschiedlichen Hebesätze in den rheinlandpfälzischen Kommunen vergleichbar sind, setzt das Land Nivellierungssätze der Realsteuern fest. Ab 2023 werden alle Kommunen im Finanzausgleich so bemessen, als würde überall die gleiche Realsteuer (Hebesätze) gelten.

Der Ortsgemeinde Flacht, wurde mit Schreiben vom 29.07.2022 durch die Verbandsgemeindeverwaltung mitgeteilt, dass mit Inkrafttreten der Neufassung des Landesfinanzausgleichsgesetz die Nivellierungssätze durch die Landesregierung wie folgt festgelegt wurden:

Grundsteuer A:           345 v.H
Grundsteuer B:           465 v.H.
Gewerbesteuer:         380 v.H,

Die Steuerhebesätze der Ortsgemeinde Flacht lagen zu diesem Zeitpunkt bei:

Grundsteuer A:           380 v.H
Grundsteuer B:           390 v.H.
Gewerbesteuer:         395 v.H.

Nach Ansicht der Landesregierung soll die Neukonzeption des Kommunalen Finanzausgleich dem Leitbild gleichwertiger Lebensverhältnisse in Rheinland-Pfalz folgen.
Die vom Land geforderten Steuererhöhungen „durch die Hintertür“ gehen nun jedoch gerade in Krisenzeiten zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.

In der Gemeinderatssitzung am 15.09.2022 entschied sich der Gemeinderat bewusst entgegen dem Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung, die Steuerhebesätze nicht den durch das Land vorgegebenen Nivellierungssätzen anzupassen. Stattdessen wurden die aktuellen Steuerhebesätze beibehalten.
Man wollte hiermit dem Bürger neben den aktuell gestiegenen Energie- und Lebensunterhaltungskosten nicht noch eine zusätzliche Belastung zumuten.

Mit einem Schreiben der Kreisverwaltung am 20.10.2022 wurde den kreisangehörigen Kommunen folgendes mitgeteilt:

„Sofern die Einnahmequellen nicht ausgeschöpft werden, liegen regelmäßig die Voraussetzungen zur Erteilung einer Bewilligung von Zuwendungen nicht vor und solche Anträge wären zurückzuweisen oder können mit Bedingungen/Auflagen erteilt werden.“

Dies heißt, die Ortsgemeinden initiieren, organisieren und führen eine Vielzahl von infrastrukturellen Projekten aus, bei denen auf Fördermittel zurückgegriffen wird. Viele dieser Projekte müssen auch aufgrund neuer Landesverordnungen (Beispielsweise durch die Einführung des neuen Kita-Gesetzes*) ausgeführt werden. Schöpft eine Kommune jedoch nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Einnahmemöglichkeiten aus, ist der Erhalt von Landeszuschüssen und weiteren Fördermitteln ausgeschlossen.

Dies würde im Falle der Ortsgemeinde Flacht die aktuell gestellten Förderanträge beim Landesbetrieb Mobilität zum Ausbau der Schulstraße und bei Land und Kreis zur Erweiterung der Kindertagesstätte betreffen.
Von Seiten des Landesbetrieb Mobilität gab es am 16.01.2023 die Information, das der LBM Diez zwischenzeitlich angehalten ist, Zuwendungsanträge abzulehnen, wenn die Grundsteuerhebesätze nicht dem Nivellierungssatz des Landes entsprechen.

Infolge dessen könnte es gar dazu kommen, dass die im aktuellen Haushaltsplan 2023 eingestellten Projekte, wie die notwendige Erweiterung des Kindergartens, der Ausbau der Schulstraße sowie der Ankauf eines Grundstückes zur Ausweisung von neuem Wohnraum haushaltstechnisch nicht genehmigt werden und in Folge dessen auch nicht ausgeführt werden dürften.

Zugleich wird die Gemeinde im Zuge der Berechnung der Steuerkraft auf den fiktiven Nivellierungssatz (Grundsteuer B: 465 v.H.) angehoben.
Dies hat zur Folge, dass die Ortsgemeinde Umlagen (Verbandsgemeinde- und Kreisumlage) auf Einnahmen zahlt, die sie gar nicht generiert hat.
Dies bedeutet eine enorme Mehrbelastung der Ortsgemeinde.

Diese Vorgehensweise ist für alle Verantwortlichen der Ortsgemeinde Flacht unverständlich. „Die Kommunen bekommen hier die Pistole auf die Brust gesetzt.“

 

Die Ortsgemeinde Flacht hat natürlich alle Hebel in Bewegung gesetzt und mit der für sie zuständigen Verwaltung Kontakt aufgenommen. So wird auch von Seiten der Verbandsgemeindeverwaltung das o.g. bestätigt

Die Ortsgemeinde hat haushaltsrechtlich in Bezug auf die anstehenden Projekte keinerlei Spielraum den Hebesatz für die Grundsteuer B auf dem momentanen Niveau zu belassen.
Die Aufsichtsbehörde wird in der Genehmigung des Haushaltes 2023 darauf hinweisen, dass Investitionsmaßnahmen für die Zuwendungen beantragt sind erst begonnen werden dürften wenn die Zuwendung auch in der beantragten Höhe bewilligt worden ist. Im Haushaltsrundschreiben vom 29.07.2022 der Finanzabteilung der VG bereits darauf hingewiesen und empfohlen die Hebesätze auf das Niveau der Nivellierungssätze anzupassen um Nachteile für die Ortsgemeinde zu vermeiden. Auf diese möglichen Nachteile wurde ebenfalls bei der Gemeinderatssitzung vom 15.09.2022 hingewiesen und gewarnt. Laut Nachricht vom 16.01.2023 ist auch der LBM angehalten Zuwendungsanträge abzulehnen, wenn die Hebesätze nicht den Nivellierungssätzen entsprechen. Dementsprechend ist das Risiko, dass der Zuwendungsantrag beim LBM für die Schulstraße, wenn der momentane Hebesatz für die Grundsteuer B bleiben sollte, abgelehnt wird gegeben. Dies würde wie bereits erläutert dazu führen, dass die Ortsgemeinde die Maßnahme nicht ausführen dürfte. Das Gleiche gilt für den Kindergarten. Da die Ortsgemeinde finanziell auf die Zuwendungsanträge angewiesen ist und die Maßnahmen ohne diese nicht umsetzbar sind gibt es aus Sicht der Finanzabteilung keine andere Option als den Hebesatz für die Grundsteuer B auf den Nivellierungssatz von 465 % anzuheben.

Aufgrund dieser Informationen und Anweisungen der Behörden wurde in der jüngsten Sitzung am 26.01.2023 erneut über die Angelegenheit beraten und diskutiert. Die Vorgehensweise der Landesregierung war für alle Beteiligten unverständlich.

Die Verantwortung wird hier mit erpresserischen Maßnahmen an die Kommunen und deren ehrenamtlich Tätigen Bürgermeister, Beigeordneten und Ratsmitglieder übertragen. Diese müssen die Entscheidung gegenüber Ihrer Bürger treffen und vertreten.
Alle waren sich einig, dass der Beschluss vom 16.09.2022 der richtige war, man aber aufgrund der zuvor genannten Situation, die Ausführung der für die Infrastruktur des Ortes wichtigen und bereits weit vorangetriebenen Projekte nicht in Gefahr bringen darf sowie einen dadurch entstehenden Schaden von der Ortsgemeinde abwenden muss. Somit wurde die Anpassung der Steuerhebesätze gem. dem Nivellierungssatz erneut zur Abstimmung gestellt und wie folgt beschlossen.

Grundsteuer A:           380 v.H
Grundsteuer B:           465 v.H.
Gewerbesteuer:         395 v.H.

Zu erwähnen ist auch, das mit der Erhöhung der Grundsteuer B nur ein sehr kleiner Bruchteil der Mehreinnahmen im Säckel der Ortsgemeinde bleibt.
Der größte Teil fließt über die zu zahlenden Umlagen an die Verbandsgemeinde und den Kreis.

Bei Anpassung der Grundsteuer B auf 465 v.H. liegen die erwarteten Einnahmen für 2023 bei ca. 95.737,- € (Mehreinnahmen gegenüber 2022 von ca. 15.441,- €) Nach Abzug aller Umlagen und Berechnung der Schlüsselzuweisung A verbleiben bei der Ortsgemeinde Mehreinnahmen von ca. 2.500,- €.

Klar ist, dass diese Abstimmung bei allen Anwesenden für Bauchschmerzen sorgte und die Vorgehensweise der Landesregierung keinesfalls Akzeptabel ist.
Es konnte auch kein einstimmiges Abstimmungsergebnis erfolgen.

Zu hoffen bleibt nun, dass die Ortsgemeinde in Bezug auf die gestellten Förderanträge nun auch eine zügige und positive Rückmeldung von Seiten des Landes und des Kreises erhält.

Und somit die Projekte, die auch zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dienen, zeitnah umgesetzt werden können. Wünschenswert ist auch, dass die in Aussicht gestellten Fördermittel ausgezahlt werden und dadurch der Haushalt der Ortsgemeinde und zukünftig auch die Bürger entlasten werden können.

Die Landesregierung sollte sich generell einmal Gedanken darüber machen, wie die Kommunen und gerade deren Bürgerinnen und Bürger zukünftig entlastet werden.

Den Verantwortlichen sollte auch klar sein, dass die Gemeinderäte angehalten sind, immer zum Wohle des Ortes und der Bürgerinnen und Bürger zu handeln. Dies aber durch solche Vorgaben nicht möglich ist und die ehrenamtliche Gremienarbeit gefährdet

Dem Gemeinderat Flacht war es wichtig die betroffenen Bürgerinnen und Bürger über die Hintergründe zur Erhöhung der Steuerhebesätze zu informieren.
Zugleich war es uns ein großes Anliegen darauf hinweisen, dass der Gemeinderat Flacht, im Rahmen seiner Möglichkeiten, immer im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und zum Wohle der Gemeinde handelt!

 

*Hier ist zu erwähnen, dass die Landesregierung mit Einführung des neuen  Kitagesetzes die Ortsgemeinden vor eine große Herausforderung stellt. Im  Fall des Kindergartens Flacht/Holzheim muss dieser für ca. 3.5 Mio. Euro erweitert und der Altbestand umgebaut und saniert werden, damit er die Anforderungen für die benötigten 95 Kitaplätze erfüllt. Eine Landesförderung dieser notwendigen Maßnahme wird allerdings durch einen Passus in der Verwaltungsverordnung, der sich auf die bereits vor 20 Jahren genehmigten 90 Kitaplätze beruft in Frage bzw. erst gar nicht in Aussicht gestellt. Dass aber im Lauf der Jahre aufgrund verschiedener Auflagen die Anzahl der möglichen Kitaplätze reduziert wurde wird hierbei nicht einbezogen. Hier sollte nach dem Konnexitätsprinzip „Wer bestellt bezahlt“ gehandelt  werden und den Kommunen eine entsprechende finanzielle Unterstützung zugesagt werden.